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Fünf Fragen an...
... Dr. Arvid Krüger, Post-Doktorand an der Universität Kassel

  • Aktuelles
  • 19. Mär 2025
  • Oberbillwerder
Portrait von Arvid Krüger

Die Forschungsgruppe Neue Suburbanität beschäftigt sich intensiv mit der Frage, ob die Zukunft der Stadt in der Peripherie entsteht. Arvid Krüger leitet ein Teilprojekt zur Infrastruktur, das sich auch mit den Begebenheiten von Oberbillwerder befasst.

Dr. Arvid Krüger ist Stadt- und Raumplaner sowie Post-Doktorand an der Universität Kassel, spezialisiert auf das Thema Neue Suburbanität. Er hat in Berlin und Stockholm studiert und 2018 an der Bauhaus-Universität Weimar promoviert, wo er sich auf die Stadterneuerung von Großsiedlungen konzentrierte. Zuvor war er auch schon als Quartiersmanager am Berliner Stadtrand tätig. Arvid Krüger verbindet seine Forschung eng mit der Praxis und engagiert sich ehrenamtlich in der Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung (SRL). Aktuell ist er auch Co-Leiter eines Arbeitskreises bei der ARL (Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft), der sich mit Transit-Oriented Development in der Bestandsentwicklung beschäftigt, der Verknüpfung von Mobilität und Stadtentwicklung. In der Forschungsgruppe Neue Suburbanität hat der gebürtige Berliner das Teilprojekt zu den Wechselwirkungen zwischen Infrastrukturausstattung und städtebaulichen Leitbildern im Städtebau des 21. Jahrhunderts übernommen.

IBA Hamburg: Was ist der Schwerpunkt in Ihrem Bereich der Neuen Suburbanität?

Dr. Arvid Krüger: Unser Teilprojekt untersucht die Wechselwirkungen zwischen Infrastruktur und Stadtentwicklung, um lebendige Quartiere statt bloßer Schlafstädte zu schaffen. Ein Schwerpunkt liegt auf der Platzierung sozialer Infrastruktur wie Kitas, Spielplätzen oder Rückzugsorten für Jugendliche, da deren Standort das öffentliche Leben im Quartier beeinflusst.

Zudem eruieren wir, wie Stadtplanung auf die Bedürfnisse unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen reagieren kann. Zwei benachbarte Teilprojekte befassen sich mit dem Heranwachsen von Jugendlichen und der Vereinbarkeit von Erwerbs- und Sorgearbeit (Erziehung, Pflege etc.); den Bedürfnissen dieser Gruppen sollen auch sozioinfrastrukturelle Angebote nachkommen, zu denen mein Teilprojekt forscht.

Das Forschungsprojekt ist bis 2027 finanziert, soll aber idealerweise bis 2031 fortgeführt werden, um langfristige Entwicklungen in der Stadtplanung zu begleiten. Als Forscher die Gelegenheit zu haben, das Ganze wirklich über einen solch langen Zeitraum in der gesamten Bundesrepublik beobachten zu können, systematisieren zu können, ist, glaube ich, für ein Grundverständnis von Stadtplanung als Disziplin unglaublich wichtig.

IBA Hamburg: Welche Rolle spielt Oberbillwerder bei Ihren Forschungsaktivitäten?

Dr. Arvid Krüger: Wir wählten Oberbillwerder als Forschungsgebiet aus, weil es eines der größten Neubauvorhaben Deutschlands ist. Unser Ziel war es, die größten Städte des Landes zu untersuchen, weshalb die Forschungsgruppe Berlin, Hamburg, Frankfurt, München und Freiburg in ihre Forschungsaktivitäten aufnahmen. Neben den Neubaugebieten betrachten sie auch die umliegenden Quartiere und das angrenzende Umland, um Wechselwirkungen besser zu verstehen.

Besonders spannend ist, dass viele dieser neuen Siedlungen in der Nähe älterer Wohngebiete liegen – etwa aus den 1990er- und 2000er-Jahren, wie der Frankfurter Riedberg oder Karow Nord in Berlin. Gleichzeitig finden sich auch größere Wohnsiedlungen aus den 1960er- und 1970er-Jahren in der Umgebung, wie Bergedorf West in Hamburg oder der Berliner Nordosten. Diese Mischung verschiedener Entwicklungsphasen macht Oberbillwerder und ähnliche Projekte besonders interessant für die Forschung.

IBA Hamburg: Was macht den Stadtteil denn aus Ihrer Sicht so besonders?

Dr. Arvid Krüger: Oberbillwerder ist ein äußerst ambitioniertes Stadtentwicklungsprojekt. Es verfolgt das Ziel, moderne Konzepte für Stadtquartiere konsequent in die Praxis umzusetzen – also tatsächlich so zu bauen, wie es heutigen Anforderungen an nachhaltige und lebenswerte Städte entspricht. Allerdings bleibt die entscheidende Frage, ob diese hohen Ansprüche in der Realität auch wirklich umgesetzt werden. Erst wenn der Stadtteil fertig ist, kann bewertet werden, ob das Vorhaben tatsächlich gelungen ist. Falls es gelingt, könnte Oberbillwerder ein Vorzeigeprojekt für die Stadtplanung der 2020er-Jahre werden – vergleichbar mit den großartigen Stadtvierteln aus den 1920er-Jahren, die heute als architektonisches Erbe gelten. Die Messlatte liegt also hoch, nun bleibt abzuwarten, ob sie auch erfolgreich übersprungen wird.

IBA Hamburg: Welchen Erkenntnisgewinn erwarten Sie aus dem Forschungsprogramm?

Dr. Arvid Krüger: Das Forschungsprogramm soll untersuchen, ob und wie die ambitionierten Planungen von Oberbillwerder in der Realität umgesetzt werden. Besonders spannend ist die innovative Organisation des ruhenden Verkehrs durch Quartiersgaragen – den Mobility Hubs, die nicht nur an den Rändern, sondern auch zentral an einem Platz liegen. Dadurch könnte ein neues Modell für die Verbindung von Parkraum und sozialem Leben entstehen, wenn es nicht nur beplantes Papier bleibt.

Denn gleichzeitig stellt sich die Frage, wie ein solches Quartier wirtschaftlich tragfähig bleibt. Architektur und Stadtgestaltung müssen mit sozialen und finanziellen Aspekten in Einklang gebracht werden, damit die Wohnungen bezahlbar bleiben. Nicht alles wird am Ende modellhaft sein, manches im Städtebau wird auch „von der Stange“ kommen müssen. Am Ende wird die Forschung zeigen, welche Mischung aus spektakulären und alltäglichen Elementen notwendig ist, um ein funktionierendes, lebenswertes Stadtviertel zu schaffen.

IBA Hamburg: Und gibt es schon erste Erkenntnisse zu Ihren Forschungen?

Dr. Arvid Krüger: Ja, erste Ergebnisse gibt es bereits – insbesondere zur Systematisierung sozialer Infrastrukturen, die wir als „Stadtbausteine“ bezeichnen. Dabei geht es darum, Elemente wie Kitas, Bibliotheken oder Bahnhöfe in abstrakte Kategorien zu übersetzen, die sich in planungstheoretisch einordnen lassen.

Da es sich um ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördertes Projekt handelt, liegt der Fokus zunächst auf Grundlagenforschung. Diese Erkenntnisse sind für die praktische Stadtplanung noch nicht direkt anwendbar. Der nächste Schritt ist daher, die Theorie auf konkrete Fallstudien zu übertragen. Dazu wurde bereits ein erster erfolgreicher Workshop im November 2024 in Neuallermöhe organisiert, um die Ergebnisse greifbarer zu machen. Weitere werden folgen.

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