1010 ist ein polnisch-deutscher Künstler, der schon im Alter von 15 Jahren mit Graffiti begann. Er schloss sein Studium an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg mit einem Abschluss in Design und Illustration ab. Die künstlerische Praxis von 1010 zielt darauf ab, Präsenz, Raum, Zeit und alles dazwischen zu visualisieren. Er schafft Schnappschüsse von sich ständig weiterentwickelnden und wandelnden Formen, die oft als Portale, Löcher oder Höhlen wahrgenommen werden.
1010s Kunstwerke, die sich nahtlos in die Stadtlandschaft einfügen, stellen die Wahrnehmung von Zeit und Raum in Frage. Eines seiner größten Werke erstreckte sich über 4500 Quadratmeter auf einem gesperrten Autobahnabschnitt in Paris.
Die neue Personenunterführung im Vogelkamp Neugraben soll künftig als zusätzlicher Bahnhofszugang und neue Quartiersachse zwischen dem Neubauquartier Vogelkamp Neugraben und dem bestehenden Zentrum Neugrabens dienen. Zur kreativen Gestaltung hatte die IBA Hamburg einen künstlerischen Wettbewerb ausgelobt, den 1010 nach erfolgreicher Bürger:innenbeteiligung gewonnen hatte. Die Eröffnung der Unterführung ist für den 4. Juli geplant.
IBA Hamburg: Was reizt Sie ausgerechnet an einem Tunnelkunstwerk im Vogelkamp Neugraben?
1010: „Ich gestalte unheimlich gerne einen Tunnel. Ob der in New York liegt oder in Neugraben, darauf kommt es mir nicht an. Das Spannende ist hier das ungewöhnliche Format. Normalerweise gestalte ich eher Fassadenwände, die vertikal verlaufen. Dieses dreidimensionale Querformat mit seinen Winkeln und Gängen ist eine völlig andere Arbeitsfläche als ich normalerweise gewohnt bin. Mein Bild erschließt sich also nicht wie gewohnt mit einem Blick, sondern man muss erst einmal daran vorbeiwandern. Das sorgt für ein künstlerisches Überraschungspotenzial in der Unterführung und schafft es, an einem sonst düsteren Ort etwas Erfreuliches zu vermitteln.“
Welche besondere Idee steckt hinter diesem Kunstwerk?
1010: „Es gibt hier im Tunnel nicht wie gewöhnlich nur einen Fixpunkt, sondern unendlich viele Enden in unterschiedlichen Farben. Alles verändert sich ständig - meine Werke sind ein Schnappschuss, eines sich laufend verändernden Prozesses. Mir geht es buchstäblich um die tägliche Reise zur Arbeit oder sonst wohin, aber auch im übertragenen Sinn um mentale, emotionale Reisen, welche uns tagtäglich begleiten.“
Was sind hier die besonderen technischen und künstlerischen Herausforderungen?
1010: „Das Schöne hier ist, ich brauche zum Gestalten keinerlei Maschinen. Nicht einmal eine Leiter ist notwendig. Es ist einfach angenehm in einer Arbeitshöhe zu agieren. Zudem spielt auch das Wetter keine Rolle. Es ist einfach sehr entspannt hier. Dafür gibt es in der Unterführung sehr unterschiedliche Oberflächen und Größenverhältnisse, aber solche Herausforderungen gehören zum kreativen Prozess.“
Was wollen Sie mit dieser Art von Kunst den Passant:innen vermitteln?
1010: „Lebensbejahende Pluralität! Das heißt, es gibt nicht nur die eine Perspektive, sondern immer die Möglichkeit, die Dinge ganz subjektiv zu betrachten. Die vielen Farbtöne repräsentieren verschiedene Reiseziele, aber auch hier im übertragenen Sinn, ganz unterschiedliche Emotionen und Stimmungen. Ich möchte hier etwas schaffen, das dem Auge guttut, das man sich gerne anschaut und man den Rest des Alltags einfach einmal vergessen kann. Es soll einen Augenblick von ‚Zeit‘ einfangen.“
Wie sind Sie zu dieser Technik gekommen, die jetzt international gefeiert wird?
1010: „Die künstlerische Arbeit vom Dunkeln ins Licht - sprich von den dunklen Farbtönen zu den hellen - hat mich schon immer fasziniert. Aus der Graffiti-Kunst der vergangenen 30 Jahre habe ich vieles gelernt, vor allem wie man visuell disruptiv arbeitet. Eindrücke und Ideen fließen durch mich durch, sowohl durch Augen, Ohren als auch durch meinen Magen. Dadurch hat sich meine Art von Kunst immer weiterentwickelt und strömt nun aus mir heraus auf Wände und Flächen. Das Schöne nach der langen Zeit als Graffiti-Künstler kann ich heute von mir humorvoll sagen - Erst verflucht, dann gebucht.“